Seit Jahren gibt es eine lebendige Szene, die mit moderner Technologie aber oft uralter Software Abend für Abend vor der Röhre sitzt und mit grosser Hartnäckigkeit gegen die Widrigkeiten von Buffer-Overflows und Bildschirm-Frames kämpft: Motivierte Hobby-Pilotinnen und -Piloten, die sich mit gefühlten 300 Knoten im zusammengezimmerten Flugsimulator und den «Grossen» ähnlichen Regeln online durch die Welt bewegen. Kaum eine Software hat eine so langjährige Geschichte hinter sich wie der Flugsimulator (Flusi) von Microsoft. An der E3 wurde ganz überraschend ein vielversprechender Nachfolger mit Cloud-Technologie vorgestellt. Die Fan-Gemeinde quittierte dies mit über 2 Mio. Views und über 60'000 Likes auf dem Youtube-Trailer innert zwei Tagen. Ich finde es interessant zu untersuchen, wie damals wie heute, technologische Sprünge sichtbare Spuren in der Modernisierung von Software und in der Begeisterung von Menschen hinterlassen. Folgen Sie mir auf einer Reise von der Vergangenheit in die Zukunft.
Wie alles begann
Mit Flight Simulator (FS) kam 1982, von subLOGIC entworfen und vertrieben, ein Stück Software heraus, das eine Cessna mit einfachen Navigationsinstrumenten und gesteuert mittels Tastatur in vier amerikanischen Grossstädten starten und landen liess. Bruce Artwick der eigentliche Erfinder began bereits 1977 mit der Entwicklung. Bereits im ersten FS vorhanden war die Simulation von Wolken und Turbulenzen. Alles Offline, ab Floppy abgespielt und wer es sich leisten konnte, konnte mit CGA Auflösung und 16 Farben ruckelnd erkennen, was gemeint war. Der Ton glich einem kurzgeschlossenen Radio, mehr konnte man dem 8-bit Prozessor auf MS-DOS nicht zumuten. Persönlich hatte ich damals daran bereits einen Narren gefressen, was ich damals bekam reichte mir für viele Flugstunden.
Bild: 1982 - UPgehoben mit einem ersten Flugsimulator für den PC.
1984 kam die Version 2 in den Handel. Microsoft hatte das Spiel für MS-DOS lizenziert. Zum ersten Mal konnte auch ein Learjet geflogen werden. Es wurden bereits mehrere Anzeige-Fenster unterstützt. Da alleine spielen keine Freude macht, konnte über ein Kabel oder Modem im Multiplayerbetrieb (2) geflogen werden. Ein Flight-Teacher machte einem mit dem Simulator vertraut. RBG-Bildschirme, Joystick und Mouse wurden unterstützt. Der Ton? Immer noch brummelig. Ab 1986 konnte ab 3.5-inch Floppy-Disks gespielt werden.
Bild: Verpackung Microsoft Flight Simulator V2.0.
1985 veröffentlichte Microsoft eine grafische Erweiterung für MS-DOS. Das erste aber noch kaum brauchbare Windows war geboren. Ein Jahr zuvor übernahm Microsoft den „Flusi“ vollständig. Die Version 3.0 erschien 1988. Im gleichen Jahr lancierte Steve Jobs sein erstes System von Next. Neu waren die Fenstertechnik sowie die Multiplayer-Option über Modem. Erste Szenarien waren verfügbar, bei denen bestimmte Aufgaben erfüllt werden mussten. Der Flusi 3 war nur noch für MS-DOS und den Apple Macintosh erhältlich. Von Cloud noch keine Spur, ausser am künstlichen Himmel.
Bild: Ganz schön viel zu sehen im «Uhrenladen»: EGA/VGA 640x350 16 Farben und immer noch sehr grollende Geräusche.
Kaum ein Jahr später brachte Microsoft mit der Version 4 einen Szenerie- und einen Aircraft-Editor heraus. Endlich konnten eigene Flugobjekte entworfen werden. Ein Meilenstein war die fünfte Version; denn jetzt wurde es fotorealistisch. Jedenfalls was die Instrumente anging. 3D wurde um einiges realistischer und mit 256 Farben schien der Himmel erreicht. Die Landschaft war noch ebenflächig, aber im sogenannten Tile-Modell wurde die Erde analog zu einer Diskokugel in viele kleine Flächen unterteilt. Dieses Format blieb bis zur aktuellen Version bestehen und lässt die Welt immer etwas verpixelt aussehen. Ob sich hier der neue Flugsimulator dank künstlicher Intelligenz weiterentwickelt hat?
Doch zuerst liegen noch 26 Jahre Flusi-Geschichte vor uns. Mit der Version 5.1 wanderten die Daten erstmals auf eine CD-ROM. Fertig war die Zeit als Floppy-DJ. Landschaften wurden nochmals detaillierter und es gab 300 Flughäfen. Zeitgleich lancierte NCR das erste Tablet mit Pen-Windows. Es schwächelte an Leistung und fehlender Vernetzung. Ein Flop.
Bild: Anflug auf Haneda, Tokyo mit der Version 5.1.
Mit Windows 95 kam das Internet für die Masse
Windows 95 wurde mit grossem Marketing-Aufwand auf den Markt gebracht und kurz darauf erschien als erstes Unterhaltungsprogramm dafür der Flight Simulator 6. Als Spielplattform angepriesen fehlte jedoch die Multiplayer-Unterstützung. Als Spieler schlüpfte man in die Rolle des Piloten, eine interaktive Luftverkehrskontrolle fand lediglich zeit- und ereignisorientiert statt. In der Presse wurde zum Kauf der alten Version geraten, da diese stabiler lief und stärker war; es sollte nicht das letzte Mal sein dass die «Simmer» mit einer alten Version besser bedient waren.
Zum Glück gab es erste Zusatzmodule, die Mehrspieler-Flüge über die Funktionen des Internets möglich machten. Die ersten Gruppen von Online-Piloten entstanden und erste «Freiwillige» meldeten sich, die den Luftverkehr koordinierten. Die Kommunikation erfolgte per Internet Relay Chat, sozusagen dem Vorgänger von WhatsApp.
Bild: Genügend Anzeigen um ins Schwitzen zu geraten: Immer schön den Anflugwinkel im Auge behalten.
Der FS 98 unterstützte 3D-Beschleunigerkarten und es erfolgte die Umstellung auf die DirectX-Grafik-Technik. Mit dem FS 98 startete eine grosse Verbreitung von Add-Ons, Szenen, Flugzeugen, Bemalungen und Flughäfen. Microsoft stellte ein Software Development Kit (SDK) zur Verfügung und gab den Simmern die Multiplayer-Fähigkeit übers Netzwerk zurück. Der Internet-Hype war gerade losgegangen, doch an eine Verbreitung von Apps, Musik oder TV via Internet ist noch kaum zu denken.
Bild: Der Vulkanausbruch vom Kilauea von 1982. Beachtenswert die Takeoff Checkliste.
Millenium und Internetblase platzt
Mit der Version 2000 kam die dritte Generation vom Flusi auf den Markt. Man glaubt es kaum, aber diese ist auch 19 Jahre später noch aktuell. Mit dieser Version wurde das Mesh-Terrain eingeführt. Die Erde wurde in ein Gitternetz gepackt und mit Höhenpunkten versehen. Mittlerweile konnten 20'000 Flughäfen angeflogen werden. Auch der Flughafen Speck von Fehraltorf. Zudem gab es realistische Wetterdarstellungen und die Möglichkeit, über das Internet die aktuellen Wetter- und Windverhältnisse herunterzuladen.
Das Platzen der Internet-Blase führte zu immensen Kursverlusten. Innerhalb von nur einem Monat sank der Wert der Aktien am NASDAQ um über eine Billion Dollar, bis 2002 sind es fünf Billionen. Steve Ballmer übernimmt als neuer CEO und führt das Unternehmen ins Wireless-Zeitalter. 10 Jahre später wird er einmal sagen: «Die Cloud ist unausweichlich», doch vorerst muss er die Microsoft wieder auf Kurs bringen.
Weltanschauung verändert sich von heute auf morgen
Microsoft bleibt dem FS treu und verbessert beim FS 2002 die Leistung: Die benötigte Rechenleistung wurde niedriger als beim FS 2000. Software, die weniger Power braucht, das gab es nicht oft. Die Geräusche an Bord wurden immer echter und die Soundkulisse entführte Sinne und Geist in die Nähe der Realität. Plötzlich wird aber allen bewusst, dass selbst ein friedlicher Flugsimulator missbraucht werden kann. Aus Respekt vor den Opfern von 9/11 und seinen Kunden verschiebt Microsoft den für Anfang Oktober 2001 geplanten Start des Flight Simulators 2002. Mit dem Simulator hätten Spieler über New York fliegen und die Flugzeuge dort abstürzen lassen können. Gleichzeitig wurde die Kollisionserkennung mit Gebäuden abgeschaltet, um die virtuelle Nachahmung zu unterbinden.
Die Entwicklung vom FS im Zeitraffer von 1982-2020
100 Jahre Fliegen
Zum Anlass des hundertsten Jubiläums des Erstflugs der Brüder Wright kommt der Flight Simulator 2004 heraus. 24 Flugzeuge und zwei Hubschrauber werden mitgeliefert. Das Wetter wird alle 15 Minuten online aufgefrischt. Eine Flugschule lehrt jeden Anfänger nach wenigen Stunden ein Flugzeug zu bedienen, oder sagen wir mal starten, denn die Landung bleibt der schwierigste Teil. Erstmals können über eine interaktive Flugsicherung Luftraumfreigaben angefordert und quittiert werden und der Sprechfunk der Fluglotsen mit anderen Flugzeugen erhöht die Komplexität auf Realitäts-Level. Interessantes Detail: Ausgeliefert wird die Software von Microsoft Game Studios. Auf der Basis von VATSIM nimmt die Community von Online-Spielern immer mehr zu. Für viele ist es kein Spiel sondern die «grüne» Art sich fliegerisch fit zu halten.
Bild: Historisch anmutend: Fliegersimulation 100 Jahre nach dem «echten» Erstflug.
FSX: Wettrüsten ist angesagt
Im Oktober 2006 lancierte Microsoft den bisher wichtigsten Flight Simulator X (FSX). Er wurde für das Betriebssystem Vista programmiert, kam aber erst mit Windows 7 so richtig in Schwung. Wie üblich, benötigte diese Version zum Zeitpunkt ihres Erscheinens höchste Rechenpower, ein rasches Motherboard mit pfeilschneller Grafikkarte und ausreichend Speicher. Doch nicht nur das Beste war nötig, sondern es musste auch sauber aufeinander abgestimmt sein. Ansonsten stottern die Bild-Frames oder der Flusi friert mitten über den Alpen ein. Jetzt zeigte sich die gute Seite vom Internet: In den einschlägigen Foren fand man bald zahlreiche Tipps und Tweaks, die den Betrieb des FSX auf einem 1'000-Franken PC möglich machten.
Bild: Maule Hochdecker über den Alpen mit Schweizer Flugzeugkennung.
Gratis Spielen: Leider nur ein Zwischenhoch
2012 ging Facebook an die Börse und Cloud-Computing erwirtschaftete 57 Mrd. Dollar Umsatz. Microsoft brachte mit «Flight» ein Gratis-Spielmodell auf den PC. In dieser Basis-Variante, die nur online geladen werden konnte, standen nur zwei Flugzeuge und mit Hawaii nur eine Region zur Auswahl. Alle Add-Ons und Hardware, die man sich zusammengebastelt hatte, konnten nicht gespielt werden. Erst 2014 kam kognitives Computing und Machine Learning an und erste 4K Bildschirme wurden bezahlbar. Doch Microsoft hatte bereits zuvor die Weiterentwicklung von Flight eingestellt. Die vielen schönen und rund laufenden Simulationen bekamen keine Zukunft. Alternativen tun sich mit Prepar3D und X-Plane auf, jedoch sind diese nie mehr so verspielt und eher für angehende Piloten geeignet.
Das war's?
Diese Flusi-Szene wurde lange als Randgruppe, ohne grösseren Einfluss auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg behandelt, so interessant das Thema auch ist. Microsoft hatte mit seiner Flugsimulator-Reihe den mit Abstand grössten Marktanteil und viele Voll-Flugsimulatoren laufen immer noch auf der FSX Version.
Bild www.simevents.ch: Solche Voll-Simulatoren laufen dank diversen Add-Ons erfolgreich auf FSX-Basis von 2006.
Jetzt nach vielen Jahren kehrt der Microsoft Flugsimulator zurück, der dank 4K Auflösung, Hochkontrastmodus HDR mit einer 10-Bit-Farbtiefe (stellt bis zu 1,07 Milliarden Farben, statt nur 16,7 Millionen Farben dar) und Satelliten-Technologie einen unglaublichen Fotorealismus anstrebt. Um Landschaften, Häuser, Gebäude und Flughäfen zu «errechnen», nutzt Microsoft Satellitendaten und ihre hauseigene Azure Artificial Intelligence. Das wird wohl auch das Ende der verpixelten Oberflächen sein. Endlich macht Artificial Intelliegence Sinn und die Cloud zeigt sich von ihrer eindrücklichen Seite: Was sonst könnte 2’000 Terrabyte Daten zur Rekonstruktion der Erde bewältigen? Bestimmt wurde die zukünftige Version vom Flight Simulator mit modernen Services aus der Microsoft Azure Cloud entwickelt.
Bild: Microsoft sagt noch wenig zum wie und wo, aber kognitive Aufgaben werden aller Wahrscheinlichkeit nach mit den AI-Services von Azure gelöst.
Und weil es so schön ist, hier der Trailer:
UPheben mit Begeisterung für Ihre IT
Die Faszination für Informatik-Lösungen jeglicher Art darf bei UPGREAT nicht fehlen. Im Hobby lernen wir mit Flugsimulatoren, Game-PCs, Drohnen oder Smart-Building Lösungen Brücken zu schlagen. Brücken zwischen dem Design und der Planung von komplexen IT-Systemen und deren einfachen Bedienbarkeit. Brücken zwischen Technologie, die überzeugt und Menschlichkeit, die begeistert.