Seit ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde, erhält ein breites Publikum Einblick in die aktuellen Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz (KI). Über eine einfache Webseite können sich interessierte Nutzer mit dem von der US-amerikanischen Softwarefirma OpenAI entwickelten Chatbot unterhalten. Auf Fragen in natürlicher Sprache gibt ChatGPT ebenso natürliche Antworten mit erstaunlichem Wissen zurück. Diese Konversationen sind nur schwer von denen mit einem menschlichen Chatpartner zu unterscheiden, auch wenn sich des öfteren Fehler in Formulierungen oder Grammatik zeigen und auch die hervorgebrachten Fakten nicht grundlegend für bare Münze zu nehmen sind. Die künstliche Intelligenz befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Sie verfügt zudem nur über eine Datenbasis, die einen Wissensstand vom September 2021 repräsentiert und keinen Zugang zu Informationen aus dem Internet hat.
Jedoch sind die Antworten von ChatGPT so umfassend und ausformuliert, dass sich der Wunsch nach einem tagesaktuellen Kenntnisstand und Online-Zugang für den Chatbot geradezu aufdrängt. Hier kommt der Softwaregigant Microsoft ins Spiel. Der Konzern aus Redmond im US-Bundesstaat Washington beteiligt sich mit Investitionen von mehreren Milliarden US-Dollar an der Forschung von OpenAI im Bereich der künstlichen Intelligenz. Im Gegenzug hat Microsoft Zugriff auf die Technologie des ChatGPT. Es hat hiermit die Möglichkeit, seine Suchmaschine Bing mit der Sprache generierenden künstlichen Intelligenz des Chatbots zu kombinieren.
Im Visier dieser Anstrengungen steht Google, welches den Markt der Internetrecherche bislang fest in seiner Hand hatte. Den Analysen des Portals statcounter zufolge bediente die Suchmaschine des Technologiekonzerns aus Kalifornien im Januar 2023 knapp 93 Prozent der weltweiten Anfragen. Im selben Zeitraum hatte Microsofts Bing nur gut drei Prozent Anteil an der globalen Suchmaschinennutzung. Andere Quellen sprechen zwar von 85 zu neun Prozent, doch das Kräfteverhältnis ist unabhängig von den Zahlen bisher deutlich auf Googles Seite.
Fakt ist, dass ChatGPT in einer breiten Öffentlichkeit zum einen Faszination, zum anderen Bedenken ausgelöst hat. Die Fähigkeit der künstlichen Intelligenz, auf einfache Anweisungen hin Programmcode zu schreiben und Aufsätze zu verfassen, ja sogar anerkannte akademische Prüfungen teilweise zu meistern, lässt die bisherige Internetsuche, wie sie mit Googles Angebot jahrzehntelang funktioniert hat, überholt wirken. Im Bildungssektor und der Wissenschaftsgemeinde macht sich Unsicherheit breit, welche Arbeiten von Schülern oder Studierenden, und welche von einer KI stammen.
Abgesehen von der Bedrohung durch Missbrauch hat die Verbindung von OpenAI und Microsoft gewaltiges Potential, die Internetrecherche zu revolutionieren und Google angesichts dessen Geschäftsmodells gefährlich Konkurrenz zu machen. Googles Führungskräfte sind von den Entwicklungen des Mitbewerbers alarmiert und lassen ihrerseits an einer ähnlichen Technologie namens Bard arbeiten. Diese hat sich bei einer ersten Präsentation jedoch noch so ungeschickt gezeigt, dass sogar der Aktienkurs des Mutterkonzerns Alphabet massiv unter Druck geriet.
Neue Anreize durch Rewards-Programm
Dass Google nun ernsthafte Gefahr in seinem Revier sieht, hat mit den Vermarktungsmöglichkeiten bei der Internetsuche zu tun. Besser platzierte Suchergebnisse gegen Bezahlung der Auftraggeber und Werbung bringen immense Einnahmen, bei denen sich der Verlust von Marktanteilen deutlich bemerkbar machen würde.
Um diese Marktanteile auf sich zu übertragen, schafft Microsoft Anreize für fleissige Nutzer seiner Suchmaschine. Das Microsoft-Rewards-Programm bringt für jede Suche über Bing eine Anzahl an Punkten. Hat er sich mit seinem Microsoft-Konto in Bing angemeldet, kann der Nutzer drei Punkte mit jeder Suchanfrage verdienen. Anfangs ist der maximale Tagessatz an Punkten auf 30 begrenzt, nach 500 Einheiten im Monat erhöht sich der höchstmögliche Lohn auf 150 Punkte am Tag. Bis zu 90 weitere gehen monatlich auf das Anwenderkonto, wenn für die Bing-Suche der Edge-Browser Verwendung findet. Umfragen und Quiz-Teilnahmen bringen weiteren Verdienst.
Punkte aus diesen Bemühungen können unter anderem in den Erwerb oder die Nutzungsberechtigung von Microsoft-Produkten umgesetzt werden. Jedoch beschränken sich die Belohnungen des Bonus-Programms nicht allein auf das Microsoft-Universum. Gesammelte Punkte lassen sich für Geschenkkarten von Online-Versandhäusern, ganz realen Möbelhäusern oder anderen Technik-Märkten und -anbietern einlösen. Zudem sind Spenden an Hilfsorganisationen mit den Rewards-Punkten möglich. Grosse Sprünge oder luxuriöse Anschaffungen sind allerdings nicht zu erwarten oder nur nach sehr intensiver Nutzung im Bereich des Möglichen.
Das Microsoft-Rewards-Programm sollte bereits durch dessen Einführung im Juni 2017 Nutzer von Google abwerben. Dass dieser Plan nicht aufging, zeigen die eingangs erwähnten Nutzerzahlen. Jedoch verändert die Integration der ChatGPT-Technologie in Bing nun vermutlich die Internetsuche grundlegend. Vermutlich, denn die künftige Entwicklung in diesem Bereich, die Akzeptanz in der Gesellschaft und die Fortschritte der Konkurrenz sind schwer abzusehen. Unbestritten ist, dass kein Mitbewerber zeitgleich ein solches Produkt für die Öffentlichkeit parat hat.
Das „Neue Bing“ ist seit seiner Vorstellung am 7. Februar 2023 in der Beta-Version jedem Interessierten zugänglich. Allerdings sind für neugierige Anwender einige Hürden zu nehmen. Zum Ersten trägt sich der potentielle Teilnehmer in eine Warteliste ein, die laut einiger Quellen zeitweise siebenstellige Nutzerzahlen aufweist. Zweitens funktioniert die Suche mit künstlicher Intelligenz und ChatGTP-Unterstützung nur unter dem Microsoft-eigenen Edge-Browser. Drittens kann in dieser Phase einzig die Entwicklungsversion („Dev-Version“) von Edge alle verfügbaren KI- und Chat-Funktionen nutzen. Dazu zählen eben die KI-unterstützte Suche, eine Chat-Oberfläche und eine Hilfe zum Verfassen von KI-generierten Texten. Somit ist die Nutzung des „Neuen Bing“ noch als hochgradig experimentell zu betrachten. Hilfreich ist, dass Bing mit der KI-Suche Quellenangaben zu den behaupteten Fakten liefert und das bislang bekannte ChatGPT um höchst aktuelle Online-Informationen ergänzt. Nichtsdestotrotz gilt wie für bisherige Anwender von ChatGPT, mit den gelieferten Ausgaben der KI vorsichtig umzugehen und für ernsthafte Arbeiten eine gründliche Prüfung der Fakten vorzunehmen.
PS: Dieser Beitrag wurde von Menschen geschrieben.